Schonende Alternative zu kieferchirurgischem Eingriff

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Liegt der Unterkiefer im Verhältnis zum Oberkiefer zu weit hinten, fällt das Beißen deutlich schwerer als bei korrektem Kieferstand. Zudem kann die Fehlstellung für ein unharmonisches Gesichtsprofil und eine undeutliche Aussprache verantwortlich sein. Meist eine sinnvolle und schonende Alternative zu einem kieferchirurgischen Eingriff – also zu einer Kiefer-Operation – ist das so genannte Herbst-Scharnier.

Wie funktioniert das Herbst-Scharnier? Erfunden hat das kieferorthopädische Gerät der Zahnmediziner Emil Herbst – und zwar bereits im Jahr 1909. Es dient zur Korrektur einer Rücklage des Unterkiefers (so genannter Distalbiss/Klasse II-Anomalie). „Die festsitzende Apparatur besteht aus Metallröhrchen, an den unteren Eckzähnen und den oberen Backenzähnen befestigt. Beim Öffnen des Mundes ziehen sich die Rohre teleskopartig auseinander; eine Rückwärtsbewegung des Unterkiefers ist nicht mehr möglich, dadurch kommt der Unterkiefer ganz allmählich nach vorne“, erklärt Dr. Julia von Bremen, Oberärztin an der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Gießen. Zudem finde ein allmählicher Knochenumbau und Knochenaufbau statt.

Für wen eignet sich das Herbst-Scharnier? Die Behandlung mittels Herbst-Apparatur ist sowohl bei Jugendlichen als auch Erwachsenen jedes Alters sinnvoll und möglich.

Wie lang dauert die Behandlung? Normalerweise erstreckt sich die Therapie mit dem Herbst-Scharnier über sechs bis neun Monate. „Danach schließt sich die Feineinstellung mit Hilfe von Brackets an“, sagt Dr. von Bremen. Sie berichtet, Patienten würden in der Regel rund eine Woche zur Eingewöhnung benötigen – schließlich seien die durch ein Herbst-Scharnier wirkenden Kräfte deutlich stärker als bei Zahnspangen, Muskelkater im Kiefer daher keine Seltenheit in den ersten Tagen.

Warum ist ein Herbst-Scharnier sinnvoll? „Das Herbst-Scharnier befindet sich rund um die Uhr im Mund und gewährleistet so eine konsequente Mitarbeit durch den Patienten“, verdeutlicht Dr. von Bremen. Der Mund lasse sich öffnen wie ohne Apparatur – nur eben nicht mehr nach hinten; Sprechen und Sport seien ebenfalls ohne Beeinträchtigung möglich. Weiterer Vorteil laut Dr. von Bremen gegenüber eines kieferchirurgischen Eingriffs: „OP-Risiken wie beispielsweise das Narkoserisiko entfallen völlig“.

Was ist beim Essen zu beachten? Träger eines Herbst-Scharniers sollten, ähnlich wie Patienten mit festsitzender Zahnspange, lediglich einige Aspekte beachten: So ist das Abbeißen von ganzen Äpfeln oder Karotten zum Schutz der Apparatur zu vermeiden; Karamell, zähe Bonbons sowie Kaugummis können sich im Scharnier verfangen und dieses beschädigen.

Bezahlt die Kasse? Bitte erkundigen Sie sich im Vorfeld einer kieferorthopädischen Behandlung mittels Herbst-Scharnier, ob und in welchem Umfang Ihre Krankenkasse diese Leistung übernimmt.