Die Mehrheit von uns besucht regelmäßig eine Zahnarztpraxis – doch jeder Zweite ist dabei emotional angespannt. Bei mehreren Millionen Deutschen löst der Gedanke an eine zahnmedizinische Behandlung sogar ein solches Unbehagen aus, dass sie sich vor Terminen drücken. Zahnbehandlungsangst – wie entsteht sie, welche Folgen hat sie und wie können Sie wirksam gegensteuern?
Nasse Hände, sobald die Lampe über dem Behandlungsstuhl leuchtet. Herzklopfen, sobald das typische Geräusch des Bohrers ertönt. Der Volksmund spricht hier gern von „Zahnarztangst“ – stimmiger ist aber die Bezeichnung „Zahnbehandlungsangst“, da sich die Furcht nicht ausschließlich gegen den Zahnarzt als Person richtet, sondern gegen die gesamte Zahnbehandlung.
Generell kann jeder betroffen sein. In der Regel aber handelt es sich bei Personen mit Zahnbehandlungsängsten um jüngere Menschen, also um Kinder sowie um Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren. Oft nehmen die Sorgen mit zunehmendem Alter und Erfahrung ab. Frauen sind laut Studien unter den Patienten mit Angstdiagnose in der Mehrheit – allerdings neigen Männer dazu, Ängste als Zeichen von Schwäche anzusehen und ihre Furcht deshalb zu verleugnen.
Die Ergebnisse solcher Umfragen sind für den Wiesbadener Zahnarzt und Stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Dr. Jürgen Fedderwitz nicht ungewöhnlich: „Die für Deutschland ermittelten Werte decken sich mit denen von Untersuchungen in anderen Nationen wie den USA oder Australien.“
Leiden auch Sie oder Familienmitglieder unter Zahnbehandlungsängsten, muss dies nicht so bleiben: Es gibt durchaus Möglichkeiten, mit der Furcht fertig zu werden. Voraussetzung ist, dass Betroffene erkennen, etwas gegen ihre Zahnbehandlungsangst tun zu können, und Hilfe in Anspruch nehmen.
Wie äußern sich Zahnbehandlungsängste?
Betroffene Patienten ertragen oft lieber heftige Zahnschmerzen als sich zu einem Anruf in ihrer Praxis durchzuringen – teilweise über Wochen hinweg. Vor dem Termin selbst schlafen sie schlecht, können sich bei der Arbeit nicht konzentrieren oder lassen sich Gründe einfallen, um wieder abzusagen. Daneben kann die Angst zu Reizmagen, Migräne und Albträumen führen. Sind die Zähne aufgrund zu seltener Besuche in der Zahnarztpraxis erst einmal verfärbt, krank oder faulig, wirkt sich das häufig negativ auf die sozialen Kontakte aus.
Gründe für die Angst
„Die Ursachen für Angst vor der Zahnbehandlung sind vielfältig, sie können von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Oft spielen persönliche schlechte Erfahrungen aus der Kindheit eine Rolle, jedoch wirken meist viele Faktoren zusammen“, erklärt Dr. Fedderwitz.
- Häufigster Grund sind negativ empfundene Erlebnisse während einer Zahnbehandlung. In diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen sind Erfahrungsberichte in Internetforen, die die eigene Zahnarztangst bestätigen oder verschlimmern können.
- Die Unsicherheit, ob während der Behandlung Schmerzen auftreten, kann zu einer Erwartungsangst unterschiedlicher Ausprägung führen.
- Mitunter ist nicht eine Zahnbehandlung selbst Auslöser für die Angst, sondern Erzählungen aus dem sozialen Umfeld: Wissenschaftler fanden heraus, dass besonders die Familie bei der Entwicklung von Zahnbehandlungsangst mitwirkt – und sie auch verhindern kann, doch dazu später mehr.
- Der drohende Verlust der Selbstkontrolle und das damit verbundene Gefühl des Ausgeliefertseins sowie die Unkenntnis der Behandlungsschritte können das Angstgefühl verstärken.
- Zu guter Letzt spielen natürlich auch die menschlichen Eigenschaften und das Verhalten des behandelnden Zahnarztes sowie seines Teams bei Entstehung – und Vermeidung – von Angstgefühlen eine Schlüsselrolle.
Menschen mit Zahnbehandlungsängsten schämen sich mitunter dafür, dass ihre Zähne so schlecht geworden sind. Zudem haben sie Bedenken, der Zahnarzt könne ihnen Vorwürfe machen und ihnen mangelnde Zahnhygiene vorwerfen. Solche Sorgen und Gedanken sind jedoch absolut unbegründet, betont Dr. Fedderwitz: „Die meisten traumatisierten Menschen reagieren mit Vermeidungsverhalten und sind verletzbarer als andere. Dies ist kein Grund, sich zu schämen und hat auch nichts mit Feigheit oder Charakterschwäche zu tun.“
Zahnbehandlungsangst äußert sich bei vielen Patienten in heftigen Symptomen, wie sie normalerweise nur bei Allgemein- oder Organerkrankungen auftreten:
- Atemnot
- Durchfall
- Gereiztheit
- Herzrasen
- Konzentrationsschwäche
- Übelkeit
- Unbehagen
- Unruhe
- Schlafstörungen
- Schwitzen
- Zittern
Patientenvorschläge gegen Zahnbehandlungsangst
Nun kennen Sie einige Ursachen von Zahnbehandlungsangst – an ihnen lässt sich bei der Bekämpfung ansetzen. Doch wie genau? bitte lächeln hat Patienten gefragt, was aus ihrer Sicht zu einer Steigerung des Vertrauensgefühls in der Zahnarztpraxis beiträgt:
Thomas S., Heidelberg: „Vor Behandlungsbeginn sollte mir mein Zahnarzt ausführlich die geplante Behandlung erklären.“
Daniela A., Marburg: „Während der Behandlung hilft es mir, wenn ich jeden einzelnen Behandlungsschritt vorab genau beschrieben bekomme.“
Ruth F., Wolfenbüttel: „Ich finde kleine Pausen während der Behandlung prima. In ihnen kann ich mich kurz entspannen.“
Jan K., Norderstedt: „Vor unangenehmen Behandlungsschritten gibt mir meine Zahnärztin eine kurze Vorwarnung – so kann ich mich als Patient gut darauf einstellen.“
Andrea H., Bamberg: „Ich habe gern die Möglichkeit, auf die Behandlung Einfluss zu nehmen. So fühle ich mich nicht ausgeliefert.“
Beruhigung vor der Behandlung
„Vertrauen ist die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie“, sagt Dr. Engel. Der Patient solle bei seinem Zahnarzt ein Gefühl von Sicherheit entwickeln können. Der Experte rät dazu, der Entstehung von Zahnbehandlungsängsten durch frühzeitige und regelmäßige Zahnarztbesuche vom Kleinkindalter an vorzubeugen: „Im Rahmen dieser ersten Kontakte lernen Kinder die Praxis bzw. den Zahnarzt kennen; sie gewöhnen sich regelmäßige Routineuntersuchungen an, mit der sich häufig größere Zahnschäden und zahnmedizinische Eingriffe vermeiden lassen.“
Um negative Gedanken, die Sie mit der Zahnbehandlung verbinden, durch positive und realistischere Vorstellungen zu ersetzen, können Sie Entspannungsübungen anwenden – mit dem Ziel, Körper und Geist zu beruhigen. Eine gute mentale Unterstützung ist beispielsweise folgende: Stellen Sie sich vor, wie Sie ruhig auf dem Zahnarztstuhl sitzen und sich entspannt behandeln lassen. Lassen Sie dabei keine negativen Bilder zu; statt einer Formulierung wie „Ich habe keine Angst“ sagen Sie besser „Ich bin ruhig, fühle mich sicher und meine Hände sind still“.
Autogenes Training und Meditation können ebenfalls dazu beitragen, ungute Gefühle zu reduzieren. Zu autogenem Training finden Sie im Fachhandel geeignete Bücher und Hörbücher, Meditation und die verschiedenen Techniken können Sie beispielsweise in Kursen an der Volkshochschule erlernen.
Locker auf dem Zahnarztstuhl
Für manche Menschen mit Zahnbehandlungsangst ist das Geräusch des Bohrers unerträglich. Die Ursache dafür ist nicht der Ton selbst, sondern vielmehr die Gedanken und Gefühle, die er auslöst – einige Patienten verbinden mit dem Geräusch des Bohrers einen folgenden Schmerz. „Betroffenen kann es helfen, sich einfach Kopfhörer aufzusetzen, während der Zahnarzt an ihren Zähnen bohrt: Einfach so laut Musik aufdrehen, bis der Bohrer nicht mehr zu hören ist. Manche Zahnärzte bieten zusätzlich eine Videobrille an, was noch wirkungsvoller von den Behandlungsgeräuschen ablenkt“, berichtete Dr. Engel.
Wie bereits angesprochen, vermissen Patienten mit Zahnbehandlungsängsten oft das Gefühl von Kontrolle, sie sehen keine Möglichkeit, die Zahnbehandlung beeinflussen zu können. Deshalb ist es wichtig, während der Behandlung mit dem Zahnarzt kommunizieren zu können: Angstpatienten vereinbaren beispielsweise, dass der Zahnarzt mit der Behandlung aufhört, sobald sie „Ah“ sagen. Ein System dieser Art bildet Vertrauen – und von Termin zu Termin fällt die Behandlung einfacher.